Das Ehepaar Blažek aus Waidhaus stand den Schülerinnen der 9. Klassen im Rahmen eines Zeitzeugengesprächs am 15. Juli 2021 Rede und Antwort zu seinen Erlebnissen in der ehemaligen Tschechoslowakei.
Oral History ist eine Methode in der Geschichtswissenschaft, bei der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu bestimmten Ereignissen in ihrem Leben befragt werden. Die entstandenen Erzählungen geben Auskunft über geschichtliche Sachverhalte und deren Deutung. Die Erzählungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen ermöglichen den Zuhörerinnen und Zuhörern einen emotionalen Zugang zu Geschichte, indem sie vergangene Erfahrungen erleb- und komplexe Zusammenhänge begreifbar machen.
Am 15. Juli 2021 besuchte das Ehepaar Blažek aus Waidhaus das EHG, um den Schülerinnen der neunten Klassen von seinen Erfahrungen in der sozialistischen Tschechoslowakei zu berichten. Die Klasse 9A hatte sich schon im Vorfeld intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt und entsprechende Fragen und Diskussionsbeiträge vorbereitet. Die Moderation während der Veranstaltung übernahmen die Schülerinnen Norah Klemm und Rebecca Roupcová.
Der damalige Erste Parteisekretär der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei (kurz: KSČ) Alexander Dubček weckte mit seiner Vision von einem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ bei vielen Bürgerinnen und Bürgern die Hoffnung auf eine Demokratisierung des Landes. Dubček versprach eine Liberalisierung der Wirtschaft sowie eine Garantie bürgerlicher Grundrechte. Jaroslava und Pavel Blažek besuchten zu jener Zeit die Mittelstufe. Der „Prager Frühling“ versetzte sie in Aufbruchsstimmung, die jedoch schnell verpuffte, als Truppen des Warschauer Pakts im August 1968 die friedlichen Massendemonstrationen blutig niederschlugen. Nach dem Schulabschluss zog Pavel Blažek nach Karlovy Vary (Karlsbad), wo er eine Anstellung in einem Reisebüro fand. Seine Frau Jaroslava arbeitete bei einer Autovermietung. Durch ihre Jobs verfügten beide über Kontakte in die Bundesrepublik Deutschland. Als sich zu Beginn der 1980er Jahre die politische Situation in der ČSSR verschärfte und ein erneuter Einmarsch sowjetischer Truppen am Himmel stand, entschied sich das junge Paar für die Flucht. Diese verlief vergleichsweise unspektakulär: Getrennt voneinander beantragen beide eine Reise in den Westen. Als sie mit dem Zug in Bayreuth ankamen, war ihnen klar, dass sie die Türe zugemacht hatten und eine Rückkehr in die alte Heimat unmöglich war. Erst nach Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft kehrten die Blažeks 1989 anlässlich einer Familienfeier zurück. Während dieses Aufenthalts besuchte das Ehepaar die tschechoslowakische Hauptstadt Prag und wurde Zeuge der „Samtenen Revolution“, in deren Folge die Herrschaft der KSČ zusammenbrach und 1993 die demokratische Republik Tschechien gegründet wurde.
In der anschließenden Diskussion erfuhren die Schülerinnen weitere Details, etwa zu Gemeinsamkeiten der bayerischen und der böhmischen Küche. Die Anwesenden bewerteten die Veranstaltung als großen Erfolg und äußerten Wunsch nach einer Neuauflage ähnlicher Gesprächsformate.
Text: Maximilian Vissers, Studienrat
Fotos: Sabine Hoffmann