- Du weißt noch nicht genau, was du nach dem Abitur machen sollst?
- Du wolltest schon immer einmal für längere Zeit ins Ausland?
- Du würdest gerne eine neue Sprache lernen, oder deine Kenntnisse einer Sprache weiter verbessern?
- Du möchtest lernen, selbstständig zu leben (und vielleicht sogar einen Haushalt zu führen) und Verantwortung zu übernehmen, aber nicht sofort ganz ausziehen?
Dann geht es dir wie mir! Und MEIN Weg führte mich für ein Jahr als AuPair in das wunderschöne Tessin, d.h. in die Italienische Schweiz.
Hier wohne ich in Lugano bei einer Gastfamilie, für die ich 30 Stunden pro Woche arbeite, während ich gleichzeitig an drei Nachmittagen die Schule besuche.
Entgegen der Meinung mancher Bekannter ist ein AuPair-Jahr kein Langzeiturlaub, auch wenn die Gegend mit Palmen und See schnell an Urlaub denken lässt.
Mittelpunkt meiner Arbeit hier ist „mein Kind“. Damit meine ich natürlich die mittlerweile 1-jährige Tochter der Gastfamilie, auf die ich aufpasse, während ihre Eltern arbeiten. Ich bin also während der Arbeitszeit alleine für „mein Kind“ verantwortlich und übernehme die Rolle der „mamma due“. Das war anfangs gar nicht so einfach, auch weil ich mit dem berühmten „nicht-die-Mama-Syndrom“ zu kämpfen hatte. Mein Kind musste sich nämlich natürlich erst daran gewöhnen, mit mir „fremden Person“ alleine zu bleiben. Mittlerweile hat sie mich aber lieb gewonnen und besucht mich sogar gerne mal freiwillig, wenn ich abends in meinem Zimmer bin.
Nebenbei erledige ich außerdem kleine Arbeiten im Haushalt wie Staubsaugen oder Putzen – allerdings eher in kleinem Rahmen, weil ich solche Dinge nur tun kann, während „mein Kind“ schläft.
Diese Aufgabenverteilung ist aber nicht bei allen AuPairs so. Dass das AuPair immer alleine auf das Kind aufpasst, ist sogar eher die Ausnahme. Viele AuPairs, vor allem in Familien mit älteren Kindern, helfen verstärkt im Haushalt oder beschäftigen die Kinder im Beisein eines Elternteils.
Die Schule, die ich besuche, hat sich auf AuPairs spezialisiert und kümmert sich auch um die Organisation der Gastfamilien, der Arbeitsverträge und so weiter. Da ich ja meinen Schulabschluss schon gemacht habe, besteht der Unterricht für mich fast ausschließlich aus Italienischlektionen. Der Unterricht findet in relativ kleinen Klassen statt, die je nach Vorkenntnissen und Lerngeschwindigkeit eingeteilt werden. Das Ziel des Schuljahres steht nämlich fest: Das CELI Zertifikat der Universität von Perugia auf dem Sprachniveau A2 oder B1 (für besonders ehrgeizige Schülerinnen auch B2). Auch wenn viel gearbeitet wird, für einen kleinen Plausch über den Traummann oder eine Lektion über die berühmte Gestik der Italiener ist fast immer Zeit.
An manchen Wochenenden organisiert die Schule Freizeitaktivitäten. So fuhren wir zum Beispiel am 1. Dezember zum Weihnachtsmarkt in Como (Italien). George Clooney war aber leider nicht da…
Das Leben in einem anderen Land mit anderer Sprache ist gewöhnungsbedürftig. Dass man sich manchmal ein bisschen fehl am Platz fühlt, lässt sich kaum verhindern. Mittlerweile habe ich mich aber schon gut eingelebt, ich kenne die Gegend in der ich wohne und finde mich in der Innenstadt und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurecht. Ich scheine auch schon so „tessinerisch“ zu wirken, dass ich von Fremden auf der Straße nach dem Weg oder Informationen zum Bus gefragt werde. Aber wenn ich dann den Mund aufmache, fällt zwangsläufig auf, dass ich wohl nicht von hier stamme.
Wer sich wie ich ohne Grundkenntnisse an eine neue Sprache wagt, muss damit rechnen, sich anfangs mit Händen und Füßen verständigen zu müssen. Aber da heißt es: mutig sein und durchhalten. Für meine Gastmutter, die nur Italienisch spricht, waren die ersten Wochen wahrscheinlich wie eine nie endende Partie Tabu. Aber weil ich ja praktisch 24-7 mit Italienisch beschallt werde, habe ich schnell ein Gefühl für die Sprache bekommen und mir wie nebenbei viel Aktiv- und vor allem Passivwortschatz angeeignet. Am besten kenne ich mich in den Wortfeldern „Essen“ und „Babywortschatz“ aus. Die Spanne reicht von der Windel bis zu „Nein, nicht alles auf den Boden werfen!“.
Ich versuche, möglichst viel aus diesem Jahr mitzunehmen. Dazu gehört auch, die Gelegenheit zu nutzen, die Schweiz und das nahe gelegene Italien zu erkunden. Also unternehme ich viel an den Wochenenden und genieße die Selbstständigkeit, die ich durch die vielen Busse und Züge gewonnen habe. Sie ermöglichen es mir nämlich, an alle möglichen Orte zu gelangen, ohne meiner Gastfamilie zur Last zu fallen.
Im Gegensatz zu vielen der Deutschschweizerinnen in meiner Schule, die oft an den Wochenenden nach Hause fahren und ihr Leben deshalb nicht wirklich ins Tessin verlegen, habe ich mir hier auch Hobbys gesucht. Lugano ist also wirklich eine 2. Heimat für mich geworden.
Bisher bin ich schon ungefähr 4 Monate hier, mindestens 6 weitere folgen.
Aber bereits jetzt kann ich jedem, der mindestens 2 der oben gestellten Fragen mit „Ja“ beantwortet hat, nur empfehlen, sich Gedanken über ein Jahr als AuPair zu machen. Durch die Arbeit mit Kindern und die Entfernung von daheim lernt man unglaublich viele Dinge, die einem die Schule nicht beibringen kann (und zusätzlich lernt man noch die Dinge, die einem in der Schule beigebracht werden 😉 ). Alles in allem habe ich schon so viel Schönes erlebt, dass ich glaube, dass dieses Jahr eine der besten Erfahrungen meines Lebens sein wird.
Sonja Wild