RÜCKBLICK: Die Weidener Schülerakademie im Schuljahr 2021-22

Im Rahmen der Weidener Schülerakademie werden spezielle Kurse für besonders interessierte und begabte Schülerinnen und Schüler der Gymnasien der nördlichen Oberpfalz angeboten. Die Teilnehmer können in diesen Kursen ihren jeweiligen Interessenschwerpunkten ohne Lehrplanvorgaben und Prüfungen nachgehen und ihre Stärken entdecken und frei entfalten. Je nach fachlicher Ausrichtung gibt die außergewöhnliche Atmosphäre dieser Kurse Raum zum gemeinsamen Nachdenken, Diskutieren, Gestalten, Experimentieren oder Forschen – Kompetenzen, die sicher nicht nur für den laufenden Unterricht, son-dern auch für die weitere Ausbildung und nicht zuletzt für eine ganz-heitliche Persönlichkeitsentwicklung von unschätzbarem Wert sind.
Nähere Informationen zu den für das Schuljahr 2022/2023 angebotenen Kursen sowie der Anmeldetermin sind auf der Homepage des Elly-Heuss-Gymnasiums zu finden. Interessierte Schülerinnen und Schüler können das Anmeldeformular dort downloaden. Die Anmeldung erfolgt über die jeweilige Schulleitung.

Hier der Rückblick auf das Programm des Schuljahres 2021/22:

Debating Society
Endlich konnte es wieder losgehen. Schließlich steht auch schon der Termin für das diesjährige Model European Parliament fest und damit ist auch das Diskutieren (auf Englisch) und Konkurrieren um die bes-seren Argumente noch spannender und eifriger. Nach zwei Jahren Abstinenz wollen wir endlich wieder in Kerkrade/Niederlande im No-vember 2022 an der Simulation des Europäischen Parlaments teilnehmen und bereiteten uns im laufenden Schuljahr darauf vor. Die The-men waren zunächst noch recht allgemein, aber immer der Lebens- und Erfahrungswelt der Schülerinnen entnommen (Wahlrecht ab 16, Freiwilligendienst, Coronaregeln …), wurden allerdings mit Voran-schreiten des Schuljahres zunehmend europäischer und internationaler (Europäische Identität, Europäische Armee, internationale Einsätze, …). Wir sind also sehr gespannt darauf, welche Ausschusspositionen uns zugewiesen werden und freuen uns jetzt schon riesig auf das Zu-sammentreffen mit Schülerinnen und Schülern anderer EU-Staaten.

OStRin i. B. Sabine Hoffmann

Francesco Petrarca und der Renaissance-Humanismus
Im Rahmen der Weidener Schülerakademie wurde im Schuljahr 2021/2022 ein Übersetzungskurs zu Francesco Petrarca angeboten. Dieser Autor aus dem Zeitalter der Renaissance ist heute v. a. für seine italienischen Liebesgedichte namens „Canzoniere“ bekannt, ihm selbst waren aber seine lateinischen Werke wichtiger. Auch aufgrund seiner herausragenden Bedeutung als „Wegbereiter der Moderne“ ist eine eingehende Beschäftigung gerade mit seinen lateinischen Werken da-her naheliegend. Was die Schülerinnen beim Übersetzen und Erschlie-ßen ausgewählter lateinischer Briefe Petrarcas lernen konnten, haben sie im Folgenden zusammengefasst: Wer ist Petrarca und was hat er mit der Renaissance zu tun? Viele von euch haben den Namen dieses Mannes, mit dessen Werken wir uns ein ganzes Schuljahr beschäftigt haben, bestimmt schon einmal gehört. In der Renaissance stand der Mensch im Vordergrund, der Einfluss der Kirche wurde zurückge-drängt. Aufgrund seiner christlichen Sozialisation war Petrarca so gezwungen, den Spagat zwischen Glauben und den realen Verhältnissen im Diesseits zu meistern. In einem seiner Briefe thematisiert er z. B. seinen Aufstieg auf den Mont Ventoux, bei dem er zu sich selbst fand. Doch auch sein (nicht immer ganz freiwilliger) Aufenthalt in Avignon, dem damaligen Sitz der Päpste, wird in Petrarcas Briefen aus ver-schiedenen Perspektiven betrachtet. Dadurch konnten wir lernen, wie man selbst mit herausfordernden Lebenssituationen wie z. B. dem Exil gut umgeht. Der Kurs bot uns jedoch nicht nur Antworten auf Glaubensfragen, sondern auch Informationen zu vielen anderen Lebensbe-reichen. Beispielsweise haben wir die politische Zerrissenheit im Ita-lien der Renaissance kennengelernt, eine Beschäftigung auch mit der Geographie von Italien und Südfrankreich war hierfür unumgänglich. Renaissance, ein französischer Begriff, bedeutet ja eigentlich „Wieder-geburt der Antike“. Dementsprechend kann Petrarca ohne eingehende Beschäftigung mit dem Leben und Werk seiner antiken Vorbilder ei-gentlich nicht gelesen werden. Schon die Wahl der Sprache Latein lässt erahnen, dass er mit antiken Autoren wetteifern wollte. Dennoch finden sich bei ihm noch viele Beispiele für die Besonderheiten des Mittellateins (z. B. bei der Schreibung von Endungen), wodurch wir auch in diesem Bereich tiefer in die lateinische Sprache einsteigen konnten. Es hat sich gelohnt, diesen Kurs zu belegen.

StRin Sonja Winkler
Theresa Moller, Miriam Stahl, Viola Wiesnet (alle 9b)

Historische Exkursionen
Ob Kirchen- oder Musikgeschichte, ob Fürstbischöfe oder Markgra-fen, ob ganz oben in der Gesellschaft oder ganz oben auf dem Bau-werk: Bei der Schülerakademie Geschichte ist alles dabei. Eine Füh-rung durch die Dombauhütte, durch und auf den Regensburger Dom stellte neben einer Mittelalter-Runde durch die Regensburger Altstadt den Auftakt der Exkursionssaison dar. Ganz oben dabei waren die Teilnehmenden auch im Tucherschloss in Nürnberg, das das Leben der High Society exzellent abbildet – inklusive Tanzeinlagen. Ergänzend bot das Germanische Nationalmuseum seine künstlerischen Highlights auf, um den elenden Abstecher zum Henkerhaus wieder vergessen zu machen. Musikalische Höchstleistungen streifte das Schülerakademie-Team am Beispiel Richard Wagners in Bayreuth, vor allem stand aber seine Person und der kritische Umgang mit seinem Werk im Vordergrund. Auch der zweite Bayreuth-Besuchspunkt widmete sich der Musik in Form des Markgräflichen Opernhauses, einer von insgesamt drei Weltkulturerbestätten, die in diesem Jahr auf dem Programm standen. Ganz im Zeichen dieser UNESCO-Auszeichnung stand auch die Exkursion nach Bamberg, die im Besuch der fürstbischöflichen Residenz ihren Höhepunkt fand. Auch für das kommende Schuljahr warten die bayerischen Sehenswürdigkeiten schon auf ihre Gäste aus der Schülerakademie Geschichte.

Ralph Conrad, Studiendirektor

Philosophie-Werkstatt

In unserem Kurs „Philosophische Frauenpower – eine andere Geschichte des Denkens“ gingen wir zunächst der Frage nach, woran es liegen könnte, dass kaum Philosophinnen bekannt sind, obwohl es bereits in der Antike nicht wenige ambitionierte Vertreterinnen gab. Auch der Aspekt, ob Frauen anders denken und kommunizieren, beschäftigte uns. In der Auseinandersetzung mit zahlreichen Philosophinnen von der Antike bis in die Gegenwart warfen wir stets auch einen Blick auf den jeweiligen zeitlichen Hintergrund. Wir kamen aus dem Staunen nicht heraus:

Wir trafen unter anderem auf Themistokleia (ca.570 v. Chr.), deren ethische Lehren Phytagoras übernommen haben soll, Aspasia von Milet (460-401 v. Chr.), die einen Intellektuellen-Salon in Athen leitete und Sokrates in Rhetorik unterrichtete, auf Hypatia (355-415 n. Chr.), die als Mathematikerin, Astronomin und Philosophin in Alexandria wirkte, auf Hildegard von Bingen (1098-1179), die sich mit Religion, Medizin, Ethik und Kosmologie beschäftigte, auf Christine de Pizan (1365-1429), die mit ihrer Utopie „Stadt der Frauen“ die neuzeitliche Debatte um Status und Rechte der Frauen eröffnet, auf Émilie du Châtelet (1706-1749), die Voltaire und Kant beeinflusste, auf Olympe de Gouges (1748-1793), die eine „Erklärung der Rechte der Frau“ veröffentlichte, auf  Bertha von Suttner (1843-1914), die die moderne Friedensbewegung begründete, auf Rosa von Luxemburg (1871-1919), die für Ideen des Feminismus und Sozialismus kämpfte, auf Hannah Arendt (1908-1975), die als engagierte Intellektuelle und politische Theoretikerin wirkte, auf Simone Weil (1909-1943), die sich radikal einer selbst gewählten Entwurzelung aussetzte, auf Simone de Beauvoir (1908-1986), die als existenzialistische Philosophin zur Wegbereiterin feministischen Philosophierens wurde, und nicht zuletzt auf Judith Butler (*1956), einer der einflussreichsten Stimmen der feministischen Philosophie und der Gender Studies.

Besonders viel Freude machte uns die Gestaltung unseres ewigen Kalenders, für dessen Vorwort wir als Interview-Partnerinnen renommierte Philosophinnen wie Prof. Anna Hogenová, Dr. Rebekka Reinhard und Dr. Svenja Flaßpöhler gewinnen konnten. Mit dem Kalender wollen wir nicht nur unser erarbeitetes Wissen gerne an andere weitergeben, sondern auch zum Nach- und Weiterdenken anregen. Vielleicht gehört ja die Zukunft der Philosophie den Frauen?

OStRin Susanne Kopp