Martin Luther aus der Sicht eines Augustinermönchs heute

Im Rahmen des katholischen sowie des evangelischen Religionsunterrichts wird in der achten Jahrgangsstufe der Themenbereich „Sehnsucht nach Heil im späten Mittelalter“ bzw. „Befreit vor Gott und Mensch? – Voraussetzungen und Folgen der Reformation“ behandelt, wobei vor allem die reformatorischen Einsichten Martin Luthers im Mittelpunkt stehen.
Der junge Mansfelder Martin Luther, den vor allem die Frage beschäftigte, wie er einen gnädigen Gott finde, trat aus diesem Grund im Jahre 1505 in das Augustinerkloster zu Erfurt ein. Pater Jeremias Kiesl OSA, sowohl ehemaliger Schüler als auch Präfekt des Weidener Augustinerseminars, ist nun Prior des Augustinerkonvents in Erfurt.
Als Gast in einer virtuellen Talkshow zum Thema „Martin Luther aus der Sicht eines Augustinermönchs heute“ stellte er sich am Dienstag, den 02.02.2021, den vielfältigen Fragen der Schülerinnen der Klassen 8a und 8b.
Nach einer kurzen Einführung zum Augustinerkonvent in Erfurt übergab OStRin i. B. Sigrid Pirkl das Wort an Pater Jeremias.
Sehr ausführlich und geduldig beantwortete er alle Fragen zu Martin Luther und der Reformation aus seiner Sicht als Augustinermönch. Parallelen zu Martin Luther sieht er im Hinblick auf seine Beweggründe, in den Augustinerorden einzutreten. Auch er hatte schon in jungen Jahren Kontakt mit Augustinermönchen und beschäftigte sich mit ihnen.
Ferner wollten die Schülerinnen z.B. wissen, ob Martin Luther ein Vorbild für ihn sei und er seiner Meinung nach alles richtig gemacht habe oder ob es auch negative Handlungen Luthers gäbe, ebenso ob er Luthers Bestrafung als gerecht empfinde und wie er die Eheschließung zwischen Katharina von Bora und Martin Luther beurteile. Ein Vorbild sei Luther insofern für ihn, erklärte Pater Jeremias, weil er es gewagt habe, die Missstände in der Kirche damals zu kritisieren, allerdings habe sein rigoroses Vorgehen dann zu einer Kirchenspaltung geführt. Ein Teil seiner Bestrafung sei die logische Schlussfolgerung aus seinem Verhalten gewesen und ein Teil dessen, was wir als Bestrafung empfinden, sei zu Luthers Schutz geschehen. So sei er aus dem Augustinerorden ausgeschlossen worden, damit er nicht nach Rom ausgeliefert werden musste. In Bezug auf die Eheschließung habe Martin Luther dann auch selbst als gutes Vorbild das praktizieren müssen, was er anderen in seinen Predigten als die von Gott gewollte Lebensform angepriesen habe.
Im Hinblick auf Martin Luthers kritische Einstellung gegenüber dem Papst vermutet Pater Jeremias, dass der Reformator mit dem heutigen Papsttum wohl ganz zufrieden wäre. In seinen Ausführungen zu den Ordensregeln, dem geregelten Tagesablauf und den Aufgaben eines Mönchs gewährte der Prior des Augustinerkonvents ebenso einen interessanten und wertvollen Einblick in das heutige Klosterleben. So habe Martin Luther z.B. seine guten seelsorgerlichen Fähigkeiten mit Sicherheit bei den Augustinern gelernt, denn die Seelsorge gehört bis heute zu den Hauptaufgaben des Augustinerordens.
Obwohl die Talkshow in diesem Jahr wegen der Coronapandemie als Videokonferenz stattfinden musste, tat das ihrem Informationsgehalt keinerlei Abbruch. Durch die sehr detaillierten Ausführungen von Pater Jeremias konnten die Schülerinnen ihre Kenntnisse über Martin Luther, sein religiöses Umfeld und die Auswirkungen seiner Tätigkeit bis heute auch auf diese Weise umfassend erweitern und vertiefen.

OStRin i. B. Sigrid Pirkl
LAssin Sandra Hablawetz