„Ellys“ auf dem Weg zur Wiege des Christentums in Weiden
Gegen Ende des Schuljahres erkundeten die katholischen Schülerinnen und die evangelischen Schülerinnen der 5. Jahrgangsstufe zusammen mit ihren Religionslehrkräften Herrn Pfarrer Stephan Rödl und Frau Oberstudienrätin i.B. Sigrid Pirkl die beiden ältesten Kirchen in Weiden, St. Michael und St. Josef.
Wir begannen mit der Besichtigung der ehemaligen Simultankirche St. Michael, die heute eine evangelisch-lutherische Kirche ist. Ein Blick nach oben zeigt auf dem Kirchturmdach das Papstkreuz und auf dem Kirchendach das Patriarchenkreuz. Diese Kreuze erinnern an die erste urkundliche Erwähnung dieser Kirche, als König Johann von Böhmen 1341 das Stellenbesetzungsrecht für die Kirche dem Kloster in Waldsassen schenkte, das nicht dem Bischof in Regensburg, sondern direkt dem Papst unterstand. Nachdem die Schülerinnen Baumaterial, Baustil, Gottesdienstzeiten und die beiden Inschriften über den seitlichen Eingängen „Ich will Frieden geben an diesem Ort, spricht der Herr“ als Zusage Gottes und „Diene dem Herrn mit Freuden!“ als Aufforderung an die Menschen in Erfahrung gebracht hatten, betraten sie durch die „Friedenstür“ die Kirche. Dort wurden sie von dem Erzengel St. Michael, dem Namenspatron der Kirche, vom Schalldeckel der Kanzel herab begrüßt. Ihre erste Aufgabe war es die Bedeutung des hebräischen Namens „Michael“, dessen lateinische Bedeutung auf dem Schild des Engels steht, ins Deutsche zu übersetzen: „Wer ist wie Gott?“ Auf diese Frage sollen Menschen Antwort finden, die diese Kirche besuchen.
So erforschten die Schülerinnen in vier Gruppen die Bedeutung der wichtigsten Einrichtungsgegenstände einer Evangelischen Kirche und deren gottesdienstliche Bedeutung: den Taufstein, das Lesepult, die Kanzel, das Sakramentshäuschen, den Altar, die Osterkerze, den Kerzentisch, die Orgel und die Liedertafeln.
Außerdem erfuhren die Schülerinnen, dass die Kirche St. Michael als Gottes Haus nicht nur Menschen offensteht: auch Dohlen und Turmfalken wohnen zeitweise im Kirchturm. Dies erinnert uns an das Bild von Gott als Adler, der uns – wie ein Adler seine Jungen – auf seinen Fittichen trägt.Doch noch ein weiterer „Vogel“ hat sich in der Kirche versteckt und sollte von den Schülerinnen gesucht werden: der Hl. Geist in Form einer Taube unter dem Schalldeckel der Kanzel, dort, wo ihn der Pfarrer für die Predigt besonders braucht.
Ebenso wollen die Bilder und szenischen Darstellungen an und in der Kirche den Besuchern auch außerhalb des Gottesdienstes zeigen, wer wie Gott ist. So finden sich auf ihnen zahlreiche Szenen aus dem Leben Jesu: Jesu Geburt im Stall von Bethlehem als wunderschönes Altarbild mit der Menge der Engel als himmlische Heerscharen im offenen Himmel darüber, oberhalb davon St. Michael im Kampf gegen das Böse und über allem Gott Vater; Johannes der Täufer an der Kanzel, der bei seiner Predigt am Jordan auf Jesus hinweist; am Taufstein Jesus, der von Johannes dem Täufer getauft wird; Jesus in Todesangst und sein Gebet im Garten Gethsemane außen neben dem Turm in der Nische; der gekreuzigte Jesu vorne im linken Seitenschiff; Jesu Bestattung draußen unterhalb der Ölbergszene; Christi Himmelfahrt nach seiner Auferstehung von den Toten vorne im rechten Seitenschiff.
Da für evangelische Christen neben den Zeugnissen aus der Bibel und den altkirchlichen Bekenntnissen auch die Theologie Martin Luthers sehr wichtig ist, finden wir am hinteren Ausgang ein Bild von Martin Luther und seinem Dienstsiegel. Das Lutherzitat darunter erinnert an das Doppelgebot der Liebe. Obwohl Martin Luther im Unterschied zur Katholischen Kirche die Anrufung der Heiligen ablehnte, sollte man ihrer Luthers Meinung nach aber doch gedenken, um den eigenen Glauben zu stärken, wenn wir sehen, wie ihnen Gnade widerfahren und ihnen durch ihren Glauben geholfen worden ist, außerdem soll man sich ihre guten Werke zum Vorbild nehmen. Deshalb gibt es auch in der evangelischen Kirche Bilder und Statuen von Menschen, die in der katholischen Kirche als Heilige verehrt werden: Die Hl. Maria und St. Josef, ihr Mann, die Hl. Apostel, St. Johannes der Täufer und St. Petrus und St. Paulus.
Aber auch das Grabmal bzw. Grabplatten von vorbildlichen evangelischen Christen finden wir an den Seitenwänden der Kirche, z.B. das Grabmal von Anna Maria und Aemilia von Schlesien, den beiden evangelischen Töchtern des Herzogs Heinrich XI. von Liegnitz, die Patenschaften für notleidende Kinder übernommen haben und in Vohenstrauß einen Spielplatz für Kinder gestiftet haben und die Grabplatte von Philippus Caspar Pfannenstiel, der durch Spenden für Kirchen und das Anlegen einer großen Bibliothek, die lange Zeit im Kirchturm war, zur Ausbreitung des reformatorischen Gedankengutes beigetragen hat und nach dem auch eine Straße in Weiden benannt worden ist. Außerdem gedenkt man in der Kirche auch der gefallenen Soldaten aus beiden Weltkriegen.
Sigrid Pirkl, Oberstudienrätin i. B.
Nachdem Mitte des 19. Jh. die katholische Bevölkerung Weidens so stark angewachsen war, dass die Kirche St. Michael für sie zu klein wurde, beschloss man eine neue katholische Kirche zu bauen und das Simultaneum zu beenden. So gingen die Schülerinnen auch in diese damals neu gebaute Kirche, die Kirche St. Josef, die die älteste rein katholische Kirche in Weiden ist, um vor allem typisch katholische Einrichtungsgegenstände und ihre Bedeutung dort zu erkunden.Die erste Aufgabe der Schülerinnen war es, die Weihwasserbecken zu zählen, aus denen man beim Betreten einer katholischen Kirche Weihwasser nimmt und sich damit in Erinnerung an die Taufe ein Kreuzzeichen auf die Stirn macht.
Als nächstes sollten die Schülerinnen vor zum Altarraum gehen, um den Namen und den dort versteckten Lösungsbuchstaben des liturgischen Ortes zu erkunden, von dem aus neben dem Hoch- und Volksaltar das Wort Gottes verkündet wird. Anders als in der evangelischen Kirche, wo vom Ambo aus nur die Begrüßung, die Schriftlesungen und die Abkündigungen stattfinden, predigt der katholische Priester auch vom Ambo aus. Nun galt es den Blick nach oben zu richten und dort als besonderes Kennzeichen der Architektur das Kreuzrippengewölbe zu erkennen und die besondere Darstellung, die sich in der Apsis über dem Hochaltar befindet, genau zu beschreiben. Dort ist die Dreifaltigkeit Gottes monumental dargestellt: Gott Vater thront auf einem edelsteinbesetzten Thron und vor ihm schwebt Christus am Kreuz, wobei die Kreuzesbalken aus goldenen Flammenzungen gebildet sind und Christus nicht als Leidender, sondern als König dargestellt ist. Mit der Taube des Hl. Geistes verbinden sich die drei göttlichen Personen zu dem sog. Gnadenstuhl.
Danach sollten die Schülerinnen den Ort aufsuchen, an dem in der Kirche die Taufe gespendet wird. Leider war gerade am Exkursionstag die Osterkerze, die dort normalerweise steht, weg. Fündig wurden die Schülerinnen aber bei dem Bild, auf dem eine Frau abgebildet sein sollte, die in der katholischen Kirche besonders verehrt wird. Diese Frau war auch für evangelische Schülerinnen unschwer als Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm zu erkennen. Als nächstes sollten die Schülerinnen sich auf die Suche nach weiteren Abbildungen der Gottes Mutter Maria machen. Überraschend war, dass man, obwohl die Kirche ja dem Hl. Josef geweiht war, noch mindestens 17 Abbildungen oder Statuen der Gottes Mutter Maria fand: Maria, der vom Erzengel Gabriel die Schwangerschaft und Geburt Jesu verkündet wurde zweimal; die schwangere Maria bei ihrer ebenfalls schwangeren Cousine Elisabeth; Maria nach der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem; noch einmal Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm; Maria bei der Flucht nach Ägypten; Maria bei der Darstellung Jesu im Tempel; Maria mit dem Jesuskind, das dem Hl. Simon Stock das Skapulier (= Teil eines Mönchsgewands) überreicht; Maria inter virgines; Maria bei der Auffindung des 12jährigen Jesus im Tempel; Maria mit Jesus und Josef zuhause in Nazareth; Maria, die Jesus auf dem Weg nach Golgatha begegnet; Maria und Johannes unter dem Kreuz Jesu; die schmerzhafte Mutter Gottes als Strahlenkranzmadonna unter dem Kreuz Jesu aus der Simultankirche; Maria als Pieta; Maria als Himmelskönigin; Maria als Fürsprecherin.
Die nächste Aufgabe war, die Kanzel aufzusuchen, um zu beschreiben, wie Jesus hier dargestellt wird. Die Darstellung von Jesus als guter Hirten war unschwer zu erkennen und wenn man noch einen Blick nach oben wagte, erkannte man, dass auch dort der Heilige Geist erwartungsvoll unter dem Schalldeckel schwebt. Daraufhin sollten die Schülerinnen links an der Kanzel vorbei gehen und erklären, warum auf einer großen Tafel an der Wand viele Namen stehen. Bei genauem Hinsehen erkannten die Schülerinnen, dass auf dieser Tafel an die Verstorbenen aus den beiden Weltkriegen erinnert wird. Nun sollten sich die Schülerinnen wieder in den Altarraum begeben, um dort einen Stein im Altar anzuschauen und sich dessen Bedeutung erklären zu lassen. Der Reliquienstein, der im sogenannten Volksaltar eingelassen ist, beinhaltet Reliquien verschiedener Heiliger.
Hierauf sollten die Schülerinnen die Patronin der Kirchenmusik suchen und ihren Fundort und ihren Namen eintragen. Natürlich fand man die Hl. Cäcilia neben der Orgel, der Königin der Musikinstrumente. Die richtige Antwort auf die nächste Frage, seit wann es die meisten Orgeln gab, war die Barockzeit. Dann wurde nach dem Baustil gefragt, der sich durch schöne farbige Fenster, wie die Rosette über der Orgel, auszeichnet. Dieser Brauch stammte aus der Gotik.
Danach begaben sich die Schülerinnen zum dritten Mal in den Altarraum, um den Ort aufzusuchen, an dem in der katholischen Kirche die gewandelten Hostien aufbewahrt werden, dort war ein Zettel mit seinem Namen „Tabernakel“ zu finden und die letzte Frage, die es zu lösen galt, nämlich wie man die Eucharistiefeier in der evangelischen Kirche nennt: das Abendmahl.
So waren die Schülerinnen beim dritten Mal im Altarraum an dem Ort angelangt, der in der katholischen Kirche wohl der wichtigste ist, nämlich der Ort der Gegenwart Christi in Form der geweihten Hostien. Dort endete dann der Arbeitsauftrag für die Schülerinnen und man traf sich noch einmal in den Religionsstunden in der Schule, um die Ergebnisse gemeinsam zu sichern. Am Ende dieser Unterrichtsstunde bekamen die Schülerinnen den Heiligen Geist in Form einer Taube als Geleit mit auf den Weg in die Ferien.
Stephan Rödl, Pfarrer